Turmhügelburgen


Modell einer Turmhügelburg

Turmhügelburgen entstanden etwa ab 900 n. Chr. bis ins frühe 13. Jahrhundert, von Irland bis nach Ostpolen. Die ersten Trumhügelburgen entstanden im normannischen Seinegebiet Westfrankreichs und später gelangte diese Bauart mit den Normannen nach England und in den Norden Deutschlands.

Die Turmhügelburg ist eine meist kleine Sicherungsburg. Sie wurde das Kennzeichen der politischen Veränderung in Nord- und Mitteleuropa, da sie praktisch das Herrschaftszeichen an den meisten größeren Ortschaften sowie an wichtigen Wegen und Grenzen darstellte. "Kleinritter", Ministerialen genannt, waren die Herren in diesen Ansiedlungen und dienten dem höheren Adel, indem sie dessen Interessen vertraten und für Sicherheit und Ordnung sorgten. Die meisten Turmhügelburgen in Mitteleuropa waren der ständige Wohnsitz dieses niederen Dienstadels und dessen Familienangehörigen.

Turmhügelburgen wurden häufig am Rande eines Tales oder einer feuchten Senke errichtet. Der Hügel wurde aus Material der Umgebung aufgeschüttet, oft wurden vorhandene Bauten, Erderhebungen oder Steine als Untergrund genutzt, sogar Hügelgräber dienten als Grundlage für die Errichtung. Nach dem französischen Wort "la motte" (Hügel, Erdaushub) nannte man diese Burganlagen auch "Motten". Es sind hohe Erdhügel mit einem flachen Plateau und steil abfallenden, glatten Hängen, die mit Grassoden befestigt wurden. Der tiefe Graben und der rutschige, steile Erdhügel machten es Angreifern schwer in die Hauptburg zu gelangen und diese einzunehmen. So konnte zum Beispiel die Motte "Burg Linau" erst nach 3-wöchiger Belagerung von 2.500 Mann eingenommen und zerstört werden.


Motte Saint Sylvain

Auf dem Plateau eines Burghügels stand ein Turm, der von einem dicken Palisadenzaun umgeben war, dies war die Kernburg. Der mehrstöckige Turm wurde je nach vorhandenem Material aus Holz, Ziegel und Steinen errichtet. Da zu große Steingebäude in dem weichen Untergrund statische Probleme gehabt hätten, wurde häufig auf einen Steinsockel ein Obergeschoß aus Fachwerk errichtet, versehen mit einem Satteldach, das mit Stroh oder Ziegeln belegt war. Denkbar ist aber auch, dass - nachdem der Erdhügel zu 2/3 aufgeschüttet wurde - mit der Errichtung eines Steinturmes begonnen wurde. An dessen Fuß wurde dann zusätzlich Erde angeschüttet, um diesen zu stützen, man spricht vom "einmotten". Da in Deutschland kaum ein Turmhügel archäologisch untersucht wurde, lässt sich über den Aufbau der Hügelschüttung und die darauf erbauten Gebäude nichts Konkretes aussagen. Die Annahme, dass der Turm auch zu Wohnzwecken genutzt wurde, geht auf Untersuchungen in der Schweiz oder spätere Darstellungen zurück. Enthielt der Turm die Wohnung des Burgherrn, ist anzunehmen, dass die Räumlichkeiten dessen Stellung entsprechend aufwändig und repräsentativ ausgestaltet wurden. Es ist aber auch möglich, dass ein kleines Haus auf dem Turmhügel errichtet wurde, in das sich der Burgherr für die Nacht zurückzog und tagsüber auf der Vorburg in einem Haupthaus lebte. Abgeschlossen wurde der Turm von einer offenen oder häufig auch überdachten Wehrplattform, von der die Bogenschützen agieren konnten. Der Eingang in den Turm war über der Erde und konnte oft nur durch eine Leiter erreicht werden Bei größeren Motten fanden auf dem Hügelplateau weitere Nebengebäude Platz, freistehend oder an die umgebende Palisade oder Ringmauer angelehnt. Ein eigener Brunnen konnte die Kernburg mit Wasser versorgen. Im Falle der Burg Linau ist nicht bekannt, ob und wo es einen Brunnen gab. Die Billequelle ist zwar ganz nah, aber während der 3-wöchigen Belagerung war eine Wasserversorgung innerhalb der Burgmauern sicher notwendig, um so lange den Angreifern widerstehen zu können.

Turmhügelburgen überzogen netzartig das gesamte Land, sie waren relativ leicht und schnell mit einfachen Arbeitern zu bauen. Die Turmhügel besitzen einen Durchmesser von 10 bis 50 m, die Gräben waren im Schnitt 5 bis 10 m breit und mäßig tief, etwa 1 bis 2 m. Je nach Lage haben die Erdhügel noch eine Höhe von 2, 4 oder sogar 10 m, ab einer Höhe von 5 m spricht man von einer Hochmotte. Das Plateau der Hauptburg in Linau hatte mindestens eine Höhe von 7 bis 8 m.


Rekonstruktion einer Turmhügelburg
(in Lütjenburg)

Der Vorhof lag separat von der Hauptburg, auf ihm lebten die Tiere und Menschen, es war der Wirtschaftshof der Anlage. Manchmal gab es hier auch eine Kapelle. In Linau stand die Kapelle außerhalb der Vorburg, am Ostrand des Dorfes. Die Vorburg der Motten wurde ebenfalls mit einem Holzzaun und oft einem Wassergraben umgeben. Das Areal der Vorburg wurde manchmal auf einem eigenen Erdhügel (niedriger als der Turmhügel) angelegt, wie es bei der Burg Linau der Fall ist. Eine Holzbrücke verband die Vorburg mit dem Turmhügel und hölzerne Stufen oder eine Rampe führten den Hang hinauf bis zu dem Plateau der Hauptburg. Alles konnte schnell abgebaut werden sobald man in der Ferne Angreifer erblickte, um feindlichen Stoßtruppen keinen Zugang zu ermöglichen. Die zur Hauptburg gerichtete Seite war dabei in der Regel offen, so konnten in die Vorburg eingedrungene Feinde von dem Turmhügel aus bekämpft werden.


Detail aus dem Teppich von Bayeaux

Da bei der Errichtung der Burgen viel Holz verarbeitet wurde, das mit der Zeit verrottete, sind leider keine Turmhügelburgen mehr vorhanden. Deshalb sind Annahmen über das Aussehen von Turmhügelburgen meist Spekulationen. Aber die Annahmen über das Aussehen dieser Burgen gründen sich auf entsprechende Beschreibungen (z.B. Walter von Thérouanne aus dem Jahre 1127), Darstellungen auf Teppichen (Teppich von Bayeaux) oder auch Grabungsfunden. Der Teppich von Bayeaux wird wohl bald nach der Schlacht bei Hastings im Jahr 1066 entstanden sein.Er erzählt Episoden aus dem Leben des Königs Harald des Zweiten von England und seine Niederlage in der Schlacht. Der Teppich wurde einmal im Jahr um das Kirchenschiff der Kathedrale von Bayeux für die analphabetische Bevölkerung ausgehängt; daraus erklärt sich seine Länge von 74,34 m bei einer Höhe von nur 50 cm. Auf diesem Teppich sind mehrere Turmhügelburgen symbolisch abgebildet.